Digitales Gold
Wird virtuelles Geld unser Leben verändern? Michael HOROWITZ über den Weg in die Welt ohne Bargeld.
Anders als analoges Geld werden Bit-coins nicht vom Staat gedruckt, sondern mit einem komplizierten Algorithmus von Computern errechnet. Ein Internet-Freak mit dem Decknamen Satoshi Nakamoto hat am 31. Oktober 2008, dem Höhepunkt der Finanzkrise, das Konzept einer neuen virtuellen Währung in die Welt gesetzt – mit der Schöpfung der ersten 50 Bitcoins. Eine Privatwährung – unabhängig von Staaten oder Zentralbanken. Ein einmaliges Experiment, ein kompliziertes Programm, mit dessen Hilfe Bitcoins am Computer geschaffen werden können. Bitcoins existieren nur virtuell, werden in Computern oder Smartphones gespeichert und über das Internet weltweit versandt – günstig, anonym und angeblich auch absolut sicher. Seit Jahren rätselt die Finanzwelt, wer dieses System ausgeklügelt hat, wer sich hinter dem Pseudonym Nakamoto verbirgt.
Der Kurs der Währung bildet sich allein aufgrund von Angebot und Nachfrage, durch höhere Nachfrage als Zahlungsmittel steigt der Wert an den Bitcoin-Börsen. Keine Regierung kann eingreifen, wenn der Wert verfällt. Die neue Währung stößt bisher noch auf breite Skepsis, sie wirke deflationär und würge am Ende die Wirtschaft ab, weil ihre Menge begrenzt sei zitiert Der Spiegel die Bitcoins-Kritiker in seiner vergangenen Ausgabe auf sieben Seiten. Das Magazin meint aber auch: Der Weg in die Welt ohne Bargeld scheint unaufhaltsam. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass dabei die herkömmlichen Währungen verschwinden werden. Die Staaten werden kaum zulassen, dass die Zentralbanken die Macht über das Geld verlieren.
An der New Yorker Stock Exchange gibt es längst einen Bitcoin-Index, der die Preise von verschiedenen Bitcoin-Börsen nachverfolgt, an denen man die digitale Währung der Zukunft in Dollar, Euro und andere Analogwährungen tauschen kann. Die Investmentbank Goldman Sachs, die erste, die in ein Bitcoin-Start-up investiert hat, spricht jedenfalls von einem Megatrend, der das Finanzwesen im Internetzeitalter verwandeln könnte.
Allerdings ist die obskure Währung bis jetzt eher durch Skandale und extreme Kursschwankungen aufgefallen. Wenn man Bitcoins mit dem Internet vergleicht, seien sie auf dem Level von 1994: Damals wäre es hart gewesen, vorherzusehen, wer die großen Spieler des Internets werden, meint Digital Gold-Autor und New York Times-Journalist Nathaniel Popper, Bitcoin ist noch sehr unreif, noch immer eine Sache, in die man nur Geld stecken sollte, das man bereit ist, zu verlieren.
Dennoch glauben Optimisten an das digitale Gold. Das Netzwerk wickelt täglich bereits mehr als 200.000 Überweisungen ab. Beim Elektroautobauer Tesla oder im Internet-Kaufhaus Overstock.com kann man mit Bitcoins bezahlen, im Time-Verlag Abos abschließen. Weltweit kann man in Bars und Restaurants schon mit der digitalen Währung seine Rechnung begleichen – und das Wiener Start-up Coinimal bietet seit einigen Wochen eine einzigartige Dienstleistung an: Im Austausch gegen Bitcoins erhält man Amazone.de-Gutscheincodes, mit denen man in der üppigen Internet-Warenwelt alles kaufen kann.
Foto: ODonnell Photograf/Istockphoto
michael.horowitz@kurier.at
(kurier-freizeit am Samstag)
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